Research und Corona: Für Marken ist es wichtiger denn je ihre KundInnen neu kennenzulernen.
Die Pandemie hat viel verändert. Auch und vor allem in Hinblick auf die Bedürfnisse von KundInnen.
Marken und Unternehmen gehen davon aus, ihre Zielgruppe gut zu kennen – schließlich haben sie einmal Personas erstellt mit denen sie heute intensiv arbeiten. In die Erstellung von Personas oder die Identifikation der Zielgruppe wurde viel Budget gesteckt, deshalb halten viele Marken so lange es geht an ihnen fest. Als Researcher stellen wir häufig fest, dass Investitionen in Research im Budgetplan von Unternehmen über die Zeit kontinuierlich abnehmen.
Aber ist es tatsächlich so, dass sich KundInnen im Stillstand befinden, während ein Virus die Welt um sie herum fest im Griff hat und einen weiten Teil unserer Aktionen und Interaktionen zur Transformation und Digitalisierung zwingt?
Die Pandemie hat die KundInnenansprüche langfristig verändert
Durch die weltweite Pandemie hat sich viel verändert. Durch die Lockdowns hat sich zum Beispiel nicht nur unser Hygieneempfinden und -verhalten verändert, sondern auch das Bedürfnis unserer KundInnen nach langlebigen Produkten.
Kinos, Restaurants, Geschäfte waren wochenlang geschlossen und die Möglichkeiten physisch Geld auszugeben eingeschränkt. Viele Menschen haben dabei festgestellt: Man braucht gar nicht so viel materielle Dinge und eigentlich ist es auch ganz schön, weniger Geld auszugeben.
Anders sieht es im Bereich Gesundheit und Genuss aus. Wenn man schon zu Hause bleiben muss und das Abendessen das Highlight des Tages darstellt, dann soll dieses auch perfekt sein. Die Ansprüche an Qualität und Vielfalt der Lebensmittel ist gestiegen. Zudem hat sich die Art der Lebensmittelbeschaffung verändert. Wenn man fast den ganzen Tag zu Hause verbringt, möchte man es für den Einkauf nicht mehr unbedingt verlassen. Das wird durch die Lieferdienste in Großstädten, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, deutlich. Einen Lieferdienst für zwei Tomaten oder eine Packung Milch beauftragen? Vor der Pandemie, als jeglicher Kontakt mit (fremden) Personen noch kein Risiko darstellte, kein vielversprechendes Businessmodell. Heute? (Neue) Normalität. Auch wenn die Situation nach fast zwei Jahren nicht mehr ganz so bedrohlich ist wie zu Beginn, bleiben neue Routinen und Ansprüche langfristig bestehen.
Neue Erfolgsaussichten für „alte“ Produktideen
Überraschende Erfolgsaussichten für Produkte, die Unternehmen über lange Zeit hinweg Bauchschmerzen bereit haben, konnten wir in der Zusammenarbeit mit einem Schulbuchverlag beobachten.
Digitale Schulprodukte, wie Lern-Apps oder digitale und interaktive Schulbücher, wurden im Rahmen von User Feedback Days unseres Kunden, seit jeher positiv bewertet. Und dennoch mit einem müden Lächeln von den Lehrenden abgetan: Sie seien nicht praktikabel, weil zu kompliziert für ältere Lehrkräfte, und zu herausfordernd für Grundschulkinder. Seit Beginn der Pandemie hat hier ein enormer Wandel stattgefunden. Das Argument der nicht bestehenden Relevanz gibt es nicht mehr. Stattdessen haben Lehrkräfte als auch Lernende eine klare Vorstellung und Ansprüche an digitale Produkte. Während der Einsatz von digitalen Produkten vor knapp 18 Monaten schwer vorstellbar war, beobachten wir nun eine enorme Vorstellungskraft bei den Interviewteilnehmenden. Immer mehr neue Ideen, Wünsche und Funktionen der Produkte werden geäußert und vorgeschlagen.
Research zeigt gestiegene Akzeptanz für den QR Code
Ein weiterer Gewinner der Pandemie ist der QR Code. Diesen gibt es schon seit Beginn der 1990er-Jahre. Richtig beliebt war er jedoch bisher nicht. Bei einem Research vor knapp zwei Jahren evaluierten wir ein Authentifizierungsverfahren einer Direktbank mittels QR Code. Das Konzept wurde als umständlich bewertet und die TAN-Liste in Papierform bevorzugt. Auch das hat sich geändert. Denken wir nur an die Luca-App und die Corona-App und wie einfach es ist dort den Impfnachweis in Form eines QR Codes zu hinterlegen. Alle können ihn bedienen und erfreuen sich an seiner Einfachheit.
Neues Wachstum durch Digitalisierung
Die Pandemie hat uns alle gezwungen uns mit Konferenztools, z.B. Microsoft Teams, Zoom, Skype …, auseinanderzusetzen. Sei es im beruflichen Kontext oder im privaten. Wir haben digital Gitarre spielen gelernt, haben an Konzerten von unserer Couch aus gelauscht und Zumba durchs Wohnzimmer getanzt. Remote Veranstaltungen sind so selbstverständlich geworden, wie das Tragen einer FFP2-Maske in geschlossenen Räumen.
Diese enorme Veränderung birgt bisher ungeahnte Chancen für Marken. Denn jene, die bislang lediglich lokal agieren, können von den neuen Gewohnheiten profitieren und ihre Angebote dank der Digitalisierung ortsunabhängig anbieten. Bislang unerreichbare Zielgruppen können erschlossen werden – vorausgesetzt man setzt sich mit ihr auseinander und kennt die Bedürfnisse.
Neben einer erweiterten Zielgruppe können die neuen Gewohnheiten erfolgreich in anderen Kontexten genutzt werden. Dies haben wir in unserem Projekt zur Einführung von digitalen Services im Gesundheitswesen bei Interviews mit ÄrztInnen erlebt. Die Nachfrage nach Videosprechstunden ist gestiegen, während ein digitales Beratungsgespräch vor allem für ältere Menschen vor einiger Zeit nicht denkbar war. Durch wegfallende Fahrzeiten wird viel Zeit gespart, auch das verändert die Ansprüche nachhaltig.
Die Auswirkungen von Corona auf die Bedürfnisse von KundInnen sind nicht zu unterschätzen
Die langfristigen Auswirkungen von Corona auf die Bedürfnisse der Zielgruppe sollten nicht unterschätzt werden. Hat ein Produkt den Anforderungen der KundInnengruppe vor drei Jahren perfekt entsprochen, ist dies kein Garant dafür, dass es dies auch noch heute so ist. Aus diesem Grund ist insbesondere in der heutigen Zeit, die geprägt von Disruptionen und neuer Technik ist, Research wichtig, um eine menschenzentrierte Produktentwicklung sicherstellen zu können. Für Marken und Unternehmen ist es nun an der Zeit ihre Pre-Corona Personas kritisch zu hinterfragen und ihre Zielgruppen neu kennenzulernen. Auf diese Weise können Marken sich auf den Pfad des Neuen Wachstums begeben.
Gleichzeitig bieten die veränderten Bedürfnisse auch eine neue Chance: Es lohnt sich nicht realisierte – weil vermeintlich als erfolglos eingeschätzte – Ideen, Konzepte und Produkte wieder aus der Schublade zu holen und deren Erfolgschancen neu bewerten zu lassen.