von Christopher Topp Februar 5, 2018 Lesezeit: 5 Minuten

Mitarbeiter als Experience-Faktor

Marketing, Services, Produkte: Die digitale Zukunft steuert auf eine perfekte algorithmische Anpassung an den Alltagsfluss der Menschen zu. Immer besserer Flow, immer weniger Reibungspunkte in der Customer-Journey. Das Einzige, was sich nicht perfekt kontrollieren lässt, sind Ihre Mitarbeiter. Deshalb werden sie immer wichtiger.

Das Endziel des Marketings

Irgendwann in der Zukunft wird Ihr Digitalmarketingleiter am ultimativen Ziel angelangt sein.

Es wird der Moment sein, wenn sich die Verheißungen der totalen Customer-Centricity erfüllen werden. Die feuchten Träume von N=1 werden dann durch die Revolutionen der Digitalisierung Realität: Jede emotionale Regung, jeder situative Alltagskontext, jeder Touchpoint und jedes versteckte Bedürfnis werden von Algorithmen und Sensoren passgenau erkannt und in die perfekte programmatische Botschaft zum genau richtigen Moment übersetzt werden. Nie wieder wird ein Kunde eine ungenaue Message zum falschen Zeitpunkt innerhalb der Customer Journey erhalten oder gar ein unpassendes Produkt empfohlen bekommen. Kurzum: Das Marketing Ihrer Marke wird perfekt sein und Sie dürfen die Champagner-Korken knallen lassen.

Ihr Marketingleiter wird natürlich nicht der Einzige sein. Er wird sich diesen Erfolg früher oder später mit den meisten Marketingleitern dieser Welt teilen. In Zukunft wird jeder von ihnen Zugang zu denselben Programmatic-Tools und KI-Lösungen haben. Sie alle werden sich sklavisch und immer genauer an den algorithmisch aufgeschlüsselten Bedürfnissen der Menschen entlanghangeln. Überall dort, wo sich ein Algorithmus zwischen Sie und Ihre Kunden im Marketing schieben kann, wird das auch geschehen, denn nur so erreichen Sie ein Maximum an individueller Ansprache.

Eine Sache werden Sie jedoch selbst in dieser Zukunft nicht algorithmisch kontrollieren können: Ihre Mitarbeiter. Kein Algorithmus kann verhindern, dass Ihre Mitarbeiter ihren Enttäuschungen im Job online oder offline freien Lauf lassen. Kein Algorithmus kann verhindern, dass ein unmotivierter Mitarbeiter am POS die bis dahin perfekt orchestrierte Customer Journey (und Ihr Image) gehörig versaut. Kein Algorithmus kann verhindern, dass Ihre Innovationskraft leidet weil Ihre Mitarbeiter sich nicht wertgeschätzt fühlen oder keine Perspektive sehen. Und kein Algorithmus wird die Irritation Ihrer Geschäftskunden verhindern, jeden Monat einen neuen Gesprächspartner vorgesetzt zu bekommen weil Ihre interne Turnover-Rate so hoch ist.

Menschen im Fokus

Diese Erkenntnis ist der Driver hinter dem aktuellen „Employer Branding“ Trend: Wünsche, Hoffnungen und Handlungen von Mitarbeitern lassen sich nicht wie Werbebotschaften kontrollieren. Daher ist das große Mantra des Employer Brandings, eine gesunde Firmenheimat zu erschaffen, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen, in der sie Perspektiven und Weiterentwicklung für sich sehen, zudem echte Wertschätzung erfahren und sich gerne dazu verleitet fühlen, ihre Firmenkultur voller Stolz im eigenen Auftrag nach außen zu tragen.

Mitarbeiter werden dadurch zu Überzeugungstätern, die zu einer authentischeren und menschlicheren Form der Marken-Kommunikation beitragen. Derart motivierte Mitarbeiter äußern sich wohlwollend auf ihren privaten Social Media Kanälen, werden zu Botschaftern auf Xing und Co., und zum Helfer beim Recruiting neuer Mitarbeiter. All das erweitert organisch die Reichweite und das Renommee Ihrer Marke – vorausgesetzt, Ihre Mitarbeiter tun dies aus freien Stücken und werden nicht als Fake-Marionetten inszeniert.

Es gibt im Grunde nichts, was man so einem gesunden Trend ernsthaft entgegen setzen könnte. Gerade im aktuellen War-for-Talents ist so eine Strategie sehr smart, speziell wenn Sie versuchen, Data-Scientists oder KI-Coder anzulocken. Google, Apple und Co. sind nicht umhin berühmt für ihre erstklassigen Employer Branding Maßnahmen.

Aber auch im direkten Kundenumgang geht am Ende nichts an den Mitarbeitern vorbei: Edeka ist z.B. berühmt für smarte Kampagnen und virale Smash-Hits auf Youtube. In naher Zukunft wird Edeka zweifellos auch individualisiertes Marketing an den Start bringen, das immer passgenauer auf meine Essgewohnheiten, situativen Bedürfnisse und Touchpoint-Präferenzen zugeschnitten sein wird. Das ganze Customer-centric Wunderland würde jedoch zusammenbrechen, wenn die Experience im eigentlichen Store durch unmotivierte Mitarbeiter ruiniert würde (etwas dass Edeka durch kluge und facettenreiche Ausbildungsmodelle verhindert).

Wildcards in einer automatisierten Welt

Die Relevanz der Mitarbeiter für das Marketing der Zukunft wird jedoch trotzdem oft noch unterschätzt. Lassen Sie mich das anhand einer Analogie illustrieren: Wenn in einem Big-Budget Hollywood Blockbuster mit virtuoser Marketing-Kampagne und brillanten Special Effects die entscheidende Sequenz im Finale plötzlich qualitativ einbricht, wird die Ganze Experience runtergezogen. Denn je näher man an die Perfektion rückt, desto sensibler wird man für Lücken innerhalb des makellosen Flows.

Dieser „Hollywood-Effekt“ ist der eigentliche Marketing-Bottleneck der Zukunft: Je perfekter Ihr digitales Marketing und Ihre digitalen Services werden, und je überzeugender Sie mir in jeder Situation jeden Wunsch von den Lippen ablesen, desto größer der potentielle Absturz wenn der menschliche Part der Marken-Experience am Ende nicht liefert. Ein menschlicher Part, wohlgemerkt, der seinen eigenen freien Willen hat und nicht algorithmisch kontrolliert werden kann (und will).

Das auch in ferner Zukunft immer noch Menschen ein kritischer Teil Ihrer Marken-Experience sein werden, ist jedoch mehr als sicher. Das ist Teil unserer sozialen Natur. Wir werden nicht alles an anonyme, perfekt funktionierende Logistik-Services mit einer freundlichen Website voller hilfsbereiter Chatbots outsourcen. Das verstößt fundamental gegen unser Bedürfnis, auf menschlicher Ebene näher mit den Dingen zusammenzurücken, die uns wichtig sind. Selbst „gesichtslose“ Giganten wie Amazon haben dieses Bedürfnis erkannt und bauen mittlerweile Stores in der analogen Welt, um ihre Marke menschlich aufzuladen.

Da also absehbar ist, dass Ihre Programmatic und Customer Centricity Bonanza zukünftig durch immer weniger manuellen Input immer perfekter in die feinsten Nischen unserer alltäglichen Bedürfnisse rutschen wird, sollten Sie sich umso beherzter auf Ihre Mitarbeiter als erfolgskritischen Faktor fokussieren. Machen sie sich klar, dass nicht ihre Kunden mit ihren Bedürfnissen die eigentliche Wildcard in dem Spiel sind, sondern ihre Mitarbeiter. Denn ihre Kunden werden von ihrer zunehmend makellosen digitalen Omni-Channel Verführungsmaschinerie garantiert weichgekocht werden.

Doch auch die Wildcards werden auf demselben Niveau performen müssen wie ihre digitale Maschine, denn ansonsten bricht die Illusion beim Kundenkontakt. Das werden sie jedoch nur tun, wenn Sie alles dafür geben, dass ihre Mitarbeiter motiviert, gefördert und in ihren Bedürfnissen 100% ernst genommen werden. Wenn sie echtes Herzblut entwickeln, weil die Rahmenbedingungen ihrer Firma für Menschen ebenso erstklassig sind wie für ihre individualisierten Marketingbotschaften.
Deshalb sollten sie bereits heute erkennen, dass ihr HR-Leiter in einer zunehmend automatisierten Welt zur eigentlichen Herzpumpe Ihres Marketings wird. Denn nur mit ihm bändigen Sie die analogen Wildcards – Ihre Mitarbeiter.